Dienstag, 25. März 2014

Anfang der Geschichte „Elfmeter"


aus: Nacktes Entsetzen (9 Geschichten)
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Das hatte jetzt alles keine Bedeutung für ihn: die Blicke seiner Mannschaftskameraden im Nacken, das silbrige Rechteck, der Flieger am Nachthimmel über dem Tribünendach, die Anfeuerungsrufe, das anschwellende Buhen der Gegner, die gähnende Hitze in der Stadionschüssel und auch nicht die Gestalt dort im Tor. Nun palaverten die Reporter über den langen Weg, doch kurz war der Weg vom Mittelkreis bis zum Elfmeterpunkt. Ihr fiebert im Wahn, ihr da oben und ihr Millionen vor den Fernsehschirmen. Alle meinen dieser Gang sei etwas Besonderes. Aber er spulte doch nur dieses Programm ab, alles war komplett automatisiert. Die fürchterlichen Möglichkeiten existieren nur in euren Köpfen. Nicht in meinem. Dichtmachen, überhaupt nichts mehr mitbekommen, egal ob sie anfeuern oder ausbuhen. Auch nicht die Faxen des Torhüters. Mach du nur deinen Hampelmann auf der Torlinie. Er marschierte mit leichten Schritten und erhobenem Kopf. Sein Mund war trocken nach dem Spiel und elf Strafstößen. Er saugte Spucke tief aus der Kehle. Dieser eine Schuss wog mehr als sämtliche Schüsse zuvor. Sieg oder Niederlage. Er merkte gar nicht, dass er weiterging, war überrascht, ungläubig. Die Beine taten ihre Schuldigkeit, seine Gedanken zurück in die Kindheit. Elfmeterschießen. Kein Blick zu seinem Vater am Spielfeldrand und doch hörte er ihn: Verantwortung übernehmen. Wenn nicht du, wer dann? Deswegen hatte er geschossen, wie er in wenigen Sekunden schießen würde. Mit seiner Rechten verscheuchte er eine Mücke. Es gab Menschen, die dachten Fußball sei eine Frage von Leben und Tod. War in Wirklichkeit natürlich wichtiger.
Gelassen, ruhig durchatmend, sprang er in eine leichte Grätsche, schwang beide Arme seitlich hoch und klatschte über dem Kopf in die Hände. Nur locker bleiben. Zwei von Fünfen hatte er schon gehalten. Nun den dritten und die Sache war gebongt. Verlieren konnte er nicht, nicht beim Elfmeterschießen. Kenner und Fußballkäuze meinten der Torwart stecke dabei im dicksten Schlamassel. Tat er nicht. „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“, gab es die wirklich? Der Schütze hatte Angst, nicht der Tormann. Schulde ihm einen Teil meines Ansehens, dem arglosen Schreiberling. Kennt ja nur den kleinen Applaus von Gehemmten. Weiß nichts vom Glücksgefühl, wenn nach dem gelungenen Sprung in die Ecke das Stadion überschäumt. Wenn er den Ball aus dem Winkel fischte, war er der Held, und Held war er selbst dann, wenn der Schütze den Ball in die Wolken wuchtete. Er konnte sogar in die falsche Ecke hechten und wurde noch immer nicht als Versager beschimpft in diesem ungleichen Zweikampf. Eigentlich flog der Ball viel zu schnell fürs menschliche Reaktionsvermögen. Seinen Flug zu stoppen, bevor das hilfreiche Netz ihm die Aufgabe abnahm, war nicht nur eine Anomalie, sondern eine ganz normale Unwahrscheinlichkeit. Wie die Liebe! He, ihr da oben im Oberstübchen, Ruhe jetzt, hört auf zu zwitschern. Da schleppt er sich zum Elfmeterpunkt, wedelt er sich auch noch Luft zu. Sie hatten keine Chance, hatten schon mit der Reihenfolge der Schützen einen Fehler gemacht.
Die letzte Lektion
Der Mörder wartet nicht, bis ein Lehrer aufzeigt. Im Nu sind einige Lehrer in die ewigen Ferien verabschiedet worden. Warum gerade Lehrer? Stimmt, Bankmanager hätten es auch getan, aber es sind halt Lehrer geworden.
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