Donnerstag, 10. April 2014

Nützliche Viren (erster Teil)

Heute gibt es den ersten Teil einer Geschichte, die todtraurig hätte enden können.
Nützliche Viren (erster Teil einer kurzen Geschichte)
Maria Balzer hat niemals versucht, sich jünger zu machen. Auch ihr Gang verrät das Gewicht der Jahre auf ihren Schultern. Sie ist achtundfünfzig und ihr Haar ist grau wie dunkler Stahl, aber ihre Augen blitzen und funkeln.
Seit dreißig Jahren arbeitet sie für die Firma Schuffel GmbH. Sie begann in der Poststelle und arbeitete sich hoch, es war keine Leiter mit vielen Sprossen, die sie erklimmen konnte. So ziemlich auf den Tag vor 20 Jahren wurde sie die rechte Hand von Werner Schuffel, dem Firmengründer. Herr Schuffel nennt Maria beim Vornamen, für sie dagegen war er immer nur Herr Schuffel und das wird auch in Zukunft so bleiben.
Mit 60 wird Maria Balzer in Rente gehen, sie hat etwas zur Seite gelegt und außerdem gibt es da noch die Kleinigkeit, die Herr Schuffel stets untertreibend versprochen hat. Schließlich sorgt sie seit 20 Jahren dafür, dass ihr Chef niemals den Geburtstag seiner Frau vergessen hat, nie die Tennismatches seines Sohnes und auch nicht das Parfüm für seine Geliebte. Maria ist all das, was ein Chef sich als Sekretärin wünschen kann, wie auch Herr Schuffel all das ist, was eine Sekretärin sich als Chef wünschen kann. Sie sind sehr glücklich zusammen.
Maria hat keine eigene Familie, hat auch nie das Bedürfnis danach gespürt. Die Kollegen nehmen an, sie wäre daran einfach nicht interessiert. Maria ist nicht der Typ, der nach Feierabend noch mit in die Kneipe zieht, ganz sicher nicht, seit sie oben arbeitet. Und wo sonst, wenn nicht am Freitagabend bei einer Midlife-Disco kann man jemanden kennenlernen? Wie dem auch sei, sie sieht nicht verdrießlich aus. Maria ist sicherlich hart im Nehmen, kann aber auch Lachen bei einer Tasse Instantkaffee mit Milch und einem Stückchen Zucker. Dieses neumodische Zeug kann sie jedoch nicht leiden, alles Schaum und künstlicher Geschmack. Die jungen Frauen sind ganz verrückt danach.
Sie liest die Zeitung und weiß zu unterscheiden, was ihr im Fernsehen gefällt und was Firlefanz ist. Maria mag das sein, was in früheren Zeiten alte Jungfer hieß, aber darüber ist sie keineswegs bitter geworden. Sie ist halt mit der Arbeit verheiratet und gibt es nicht unzählige Männer in der gleichen Situation? Sie hat sich oft gefragt, ob sie mit deren Leben tauschen wollte. Sie war gern allein.
Maria geht nach der Arbeit zurück in ihre ruhige Wohnung, sieht die Post durch, bezahlt ihre Rechnungen immer rechtzeitig und guckt dann Fernsehen, bis es Zeit wird, sich in die Federn zu kuscheln. Ab und zu bekommt sie Besuch nach dem Abendessen oder sie geht ins Theater, selten ins Kino. Zu viel Knistern und Husten im Kino, auch im Theater, aber nicht so schlimm. Sie hört sich die Spätnachrichten an, bevor sie in den Schlaf hinüber gleitet. Maria interessiert sich für die Welt und doch lebt sie irgendwie außerhalb der allgemeinen Betriebsamkeit. Sie ist damit zufrieden.
Dann findet Maria Herrn Schuffel über dem Schreitisch liegend. Sein Kopf ruht auf der rechten Wange, als ob er den Schreibtisch abhorchen wollte, aber aus seinem offenen Mund hängen Speichelfäden. Sie ist entsetzt und todtraurig, als er wegen der Krankheit seinen Abschied aus der Firma nehmen muss. Und als sein ältester Sohn die Geschäfte übernimmt, wird sie entlassen. Herr Schuffel hat sich vollkommen auf Maria verlassen, wusste, dass er ihr alles, auch die intimsten Einzelheiten seines Ehe- und Nebenlebens anvertrauen konnte. Alle Facetten seines Geschäftes lagen bei ihr in soliden Händen.
Mark Schuffel kennt Maria nur als graue, ältliche Jungfer, gestrig und weltfremd. Anders als sein Vater vertraut Mark nur sich selbst und dem Computersystem, das er im Laufe der nächsten drei Monate installiert. Drei Monate hat auch Maria noch, bevor ihre Kündigung wirksam wird. Herr Schuffel ist nicht glücklich über seinen Sohn, aber er ist auch nicht gesund und sollte sich besser um seine eigenen Angelegenheiten kümmern.
(Fortsetzung folgt)
Nacktes Entsetzen
Thomas’ Frau verlässt ihn im Streit, um einen Dokumentarfilm im Rotlichtmilieu zu drehen. Ein neues Aktmodell posiert für Thomas. Aus diesem Arbeitsverhältnis entwickelt sich für Thomas ein Albtraum aus Misstrauen, Verdächtigungen und Paranoia.
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